Am Dienstag gaben die Verantwortlichen von Columbus Crew in einer Pressemitteilung bekannt, dass das Team möglicherweise ab 2019 in Austin verankert werden könnte.
Zwei Wochen vor den Playoffs, für die sich das Team bereits berechtigt qualifiziert hat, eine solche Meldung zu veröffentlichen ist schon ein ziemlicher Hammer. Für die Spieler und die Fans.
Aber warum veröffentlich ein Team zu dieser Zeit diese Nachricht und wartete damit nicht noch einige Wochen? Nun, darüber lässt sich nur spekulieren, aber da die Meldung zu einer möglichen Expansion bereits mehrere Stunden zuvor schon in verschiedenen Fangruppen zu lesen war und auch erste Medien über dieses Gerücht berichten, könnten sich die Verantwortlichen unter Druck gesehen haben.
Die Pressemitteilung als solche klingt erst einmal so, wie man es erwarten würde: positiv formuliert, keine wirklich konkreten Aussagen und, dass nichts feststeht, sondern erst einmal alles geprüft wird.
Wir haben die Pressemitteilung inhaltlich für euch übersetzt:
Sicherung eines Stadion Standortes ist der Schlüssel für die Entscheidung
Precourt Sports Ventures, die seit 2013 Besitzer von Columbus Crew sind, gaben heute bekannt, dass sie mehrere strategische Optionen überprüfen, um ein langfristiges Überleben vom Club zu sichern und darunter auch ein verbleiben des Clubs in einem neuen Stadion in Columbus oder ein potentieller Umzug nach Austin (Texas) mögliche Optionen sind.
Columbus Crew, ein Gründungsmitglied der MLS im Jahr 1996, hat eine wachsende Ungleichheit in den Besucherzahlen und im Support im Vergleich zu seinen MLS Partnern und anderen mittelgroßen Absatzmärkten, ähnlich wie Kansas City, Orlando, Portland oder Salt Lake City, festgestellt. „Ungeachtet unserer Investitionen und Bemühungen ist der aktuelle Kurs nicht zukunftsfähig.“; Anthony Precourt, Vorstandsvorsitzender von Precourt Sports Ventures und Besitzer von Columbus Crew sagte dazu: „Der Club hat Ambitionen ein maßgeblicher Träger der MLS zu sein, deshalb haben wir keine Wahl, außer zu Expandieren und all unsere Optionen zu prüfen. Das Beinhaltet einen möglichen Umzug nach Austin, das die größte Metropole in Nordamerika ohne ein Profisport– Franchise ist. Fußball ist die Sportart der Welt und mit Austin’s wachsender Präsenz als internationale Stadt, kombiniert mit einer starken, multikulturellen Basis, könnte Austin ideal in die MLS passen.“
„Während die Besuchszahlen Ligaweit kontinuierlich rekordverdächtig wachsen und Märkte im ganzen Land sich bemühen der MLS beitreten zu können, ist die Situation von Columbus vor allem besorgniserregend.“, sagte MLS Commissioner Don Garber.
„Trotz der erheblichen Investitionen und Verbesserungen von PSV auf und neben dem Feld ist Columbus Crew im unteren Bereich der Liga in allen Business– Angelegenheiten und das Stadion des Clubs ist nicht mehr mit den anderen MLS – Standorten konkurrenzfähig.
Die Liga ist sehr zurückhaltend dabei, Teams einen Umzug zu erlauben, aber basierend auf diesen Faktoren unterstützen wir die Bemühungen von PSV, Optionen außerhalb von Columbus zu überprüfen, darunter auch in Austin, vorausgesetzt sie finden einen angemessenen Stadium Standort.“
Precourt Sports Ventures steht zu diesem Anliegen mit der Stadt und Gemeindevertretern seit Beginn 2016 dazu in Kontakt. Vor kurzem, im September 2017, trat PSV einem Forum der Verantwortlichen von Columbus bei, um die spezifischen Herausforderungen des Clubs darzustellen und mit ihnen das Vorhaben, strategische Optionen für die Zukunft zu erkunden, diskutiert.
Für Austin wurde ausgewertet, dass so wie bei jedem anderen neuen MLS Markt auch, der Plan für das Stadion die kritische Komponente ist.
Ohne eine Genehmigung durch die MLS, sagte Precourt, wäre ein Umzug nach Austin nicht realisierbar.
Studien und Liga– Daten zeigen, dass MLS Clubs am meisten relevant und erfolgreich sind, wenn sie in einem Stadion spielen, dass sich in der Innenstadt befindet oder leicht für die Community erreichbar ist. „Die Stadium Seite selbst hat höchste Priorität und wir verstehen, dass eine private Finanzierung entscheidend für jede Stadion– Lösung sein wird.“, sagte Precourt.
Wer die Berichterstattung zu diesem Thema in den letzten Tagen verfolgt hat, könnte jedoch den Eindruck bekommen, dass die Teambesitzer möglicherweise doch nicht mehr so sehr mit dem Herzen darum kämpfen, weiterhin in Columbus zu bleiben.
Auch wenn man immer wieder betont, dass Austin nur eine Möglichkeit sei, die geprüft werde, klang die Pressekonferenz von Anthony Precourt und Dave Greeley, Präsident von PSV, wie eine kleine Werbeveranstaltung für Austin und ebenso wie eine Abrechnung mit Columbus: „We’ve seen new markets be really successful in MLS. Our recent expansion has been a tremendous success and there is a receptivity to MLS 3.0 in new markets. You know, we’ve got 22 years of operating history in Columbus and look, we’ve tried really hard. I’ve worked extremely hard over the last four and half years to improve this club and I’m going to continue to work hard to improve this club. That’s my goal. Our ambition is to be successful on and off the field and be a standard bearer for MLS, and we’ve tried very hard to do that in Columbus.“, sagte Precourt.
Barrett Sports Group für Studie beauftragt
Wie lang die Teambesitzer aber bereits mit den Gedanken zu u.a. einer Expansion spielen, machte Precourt während der Pressekonferenz selbst deutlich, als er berichtete, dass vor 1 Jahr die Barrett Sports Group engagiert und beauftragt wurde, um herauszufinden, was die Supporter und Fans, aber auch Sponsoren für ein neues Stadion haben wollen. Diese Studie war natürlich nicht zwangsläufig mit dem Punkt einer Expansion bedacht, sondern bezog sich auch auf ein mögliches Verbleiben in Columbus.
Am Dienstag veröffentlichte auch der Bürgermeister von Columbus, Andrew Ginther, ein nicht besonders optimistisches kurzes Statement auf Twitter:
Post für die Dauerkarteninhaber
Was Precourt sich wünscht, machte er auch deutlich: „We need stronger support in the form of attendance, in the form of a season ticket base, in the form of sponsorships […]“
Diesen Wunsch kann man natürlich vollumfänglich nachvollziehen, jedoch zeigten die Teamverantwortlichen an diesem Tag wenig Feingefühl.
Erst kam die Mitteilung über einen möglichen Umzug nach Texas, eine halbe Stunde später ein kurzer Brief an die derzeitigen Dauerkarteninhaber mit der Bitte, doch 2018 auch wieder eine Dauerkarte zu kaufen und am Abend folgte die Pressekonferenz, in der der oben zitierte Satz geäußert wurde.
Rein aus der Sicht eines Fans (und Sponsoren) dürfte der Dienstag ein harter Tag gewesen sein. Die Kombination aus „wir ziehen vielleicht 2019 weg“ und „kauft doch bitte eine Dauerkarte für 2018“ ist ein Schlag ins Gesicht der Fans. Fans, die dem Team seit der Gründung der MLS und des Clubs zur Seite stehen, die Fans, die das Team in der Nordecke im Stadion unterstützen und eben auch die Fans, die auch nach 2014 noch Fans blieben, nachdem das Logo verändert wurde. Nun sollen diese Fans sich die Dauerkarten für 2018 sichern, obwohl noch niemand weiß, ob das Team im Jahr darauf knapp 2000km weit weg zieht und sich in Austin etwas Neues auf baut. Wie viele Dauerkarten Columbus Crew unter diesem Gesichtspunkt verkaufen wird, wird sich bis zum Beginn der nächsten Saison zeigen.
Insgesamt bekommt man derzeit vor allem einen Eindruck: So richtig viel Interesse scheinen die Verantwortlichen von Columbus Crew nicht mehr an Columbus zu haben. Austin, so wirkt es, scheint längst die erste Wahl zu sein, da aber auch mit Austin noch nichts konkretes vereinbart ist, bewahrt man sich auch die Möglichkeit auf Columbus und setzt den Verantwortlichen der Stadt die Kanone auf die Brust: Man will ein Stadion in der Innenstadt, ansonsten ist man weg.
Doppelte Marktforschung durch das gleiche Unternehmen
Eine interessante Frage ist, warum Austin als Standort für den möglichen Umzug ausgewählt wurde.
Natürlich wurde dazu reichlich Marktforschung betrieben und analysiert. Jedoch muss auch dort kritisch hinterfragt werden, vom wem diese Analyse kam.
Columbus Crew hatte zur Analyse, was sich die Fans und Sponsoren für ein neues Stadion wünschen würden und welche Faktoren ebenfalls wichtig für ein Stadion sind (z.B. Standort, Bedingungen, Umgebung), die Barrett Sports Group engagiert. Eben diese Barrett Sports Group war aber schon einmal von der MLS engagiert worden, um zu analysieren, welche Stadt besonders für eine weitere Franchise geeignet wäre. Ihr damaliges Ergebnis war Austin.
Das gleiche Unternehmen empfiehlt also einem Team an den Ort zu gehen, den sie der MLS Monate zuvor schon einmal empfohlen hatten.
Kritik am Standort Austin
Das Argument, Austin sei die bevölkerungsreiche Stadt in den USA ohne ein professionelles Sportteam, kann man durchaus nachvollziehen. Es ist verständlich, dass man in der Metropole mit knapp 2 Millionen Einwohnern Interesse an einem professionellen Team besteht und dementsprechend dort auch ein Markt bestehen kann, aber Austin ist derzeit vor allem eine Stadt, in der College– Sport sehr beliebt ist.
Wer also erfolgreich in Austin werden will, muss sich zum Beispiel gegen die Texas Longhorns im Football oder Basketball durchsetzen, die durchaus ein Zuschauermagnet in der Stadt sind.
Außerdem wird ein weiterer Punkt entscheidend sein: ein eigenes Stadion.
Austin hat nämlich bereits Erfahrungen mit einem Fußballteam, das Austin Aztex heißt und in der USL spielte. Seit 2016 spielt das Team jedoch nicht mehr, da man sich, so die offizielle Meldung dazu, auf ein neues Stadion konzentrieren wolle. Die eigentliche Meldung lautete, dass man 2017 wieder spielen will, jedoch steht der voraussichtliche Termin derzeit eher in Richtung 2019. Neben dem Punkt Stadion muss man auch die Besucherzahlen von Austin Aztex kritisch beäugen. In dem 6500 Zuschauern umfassenden House Park kamen durchschnittlich 1438 Zuschauer, während beispielsweise das College Football Team der Stadt regelmäßig die 100.000 Zuschauer zählen kann.
Vor diesem Hintergrund stellt sich dann doch die Frage, ob Columbus Crew ihren Zuschauerdurchschnitt in Austin wirklich deutlich steigern würden. Auch wenn Fußball die am schnellsten wachsende Sportart in den USA ist, gibt es mit dem FC Dallas und Houston Dynamo bereits zwei MLS Teams in Texas und auch bei ihnen liegt der Zuschauerdurchschnitt nicht viel höher als der von Columbus Crew aktuell. Der FC Dallas belegte 2017 mit einem Zuschauerdurchschnitt von 15.106 den 22. Platz und hat damit die niedrigsten Besucherzahlen der Liga. Columbus belegt mit einem Zuschauerdurchschnitt von 15.439 Personen Platz 20 und Houston Dynamo belegte 2017 Platz 17 mit durchschnittlich 17.316 Zuschauern.
Blick in die Umgebung von Columbus
Man spielt also mit dem Gedanken 2000km (18 Stunden Fahrzeit) weit in einen anderen Bundesstaat zu ziehen, um sich in einem Bundesstaat niederzulassen, in dem es bereits zwei Teams gibt, deren Besucherzahlen tendenziell auch eher unter dem Ligadurchschnitt liegen.
Ein Blick in die Umgebung von Columbus allein bringt zwei Orte hervor, die jedem US Soccer Interessierten sofort auffallen würden.
Der erste ist Cincinnati (Ohio), Heimatort des USL Clubs FC Cincinnati, die für ihre große Fangemeinde bekannt sind. Das Team, dass erst seit 2016 in der USL spielt, hatte in seinem ersten Jahr einen Zuschauerdurchschnitt von 17.296, womit sie deutlich das am meisten besuchte Team der Liga waren. 2017 steigerten sie sich noch einmal auf durchschnittlich 21.199 Zuschauer pro Spiel. Cincinnati schreit förmlich nach einem MLS Team und dass die Leute interessiert an Fußball sind, beweisen sie regelmäßig.
Ansonsten gibt es auch kaum 300 km von Columbus entfernt noch Indianapolis, wo derzeit Indy Eleven in der NASL spielt und auch sie sind regelmäßig im oberen Bereich der Zuschauerzahlen in ihrer Liga. Selbst diese kurze Betrachtung offenbart schnell, dass in der Nähe von Columbus durchaus auch einige Städte mit Potential zu finden sind.
Fazit
In der NFL gibt es derzeit einige Beispiele, warum ein Umzug in eine andere Stadt nicht immer empfehlenswert ist, auch wenn man sich einen gigantischen Markt verspricht. Die San Diego Chargers und die St. Louis Rams zogen nach Los Angeles und spielte, provokant gesagt, vor fast leeren Rängen. 6000 freie Plätze bei einem Spiel der Chargers im StubHub Center, dem Stadion von La Galaxy, dürften deutliche Enttäuschungen gebracht haben.
Für Columbus könnte die Situation ähnlich werden – auf dem Papier verspricht Austin ein potentiell guter Markt zu sein, aber durch die Konkurrenz von gleich zwei weiteren MLS Teams und College–Sport, könnte ein Umzug auch schnell den Anfang vom Ende besiedeln, denn ein wichtiger Punkt wird derzeit wohl immer wieder vergessen: Die Fans. Und genau diese Fans leben großenteils in und um Columbus. Woher der Club dann seine Identität ohne seine treuen Fans finden will, ist fraglich.
Die Fans machen derzeit das einzige, was ihnen übrig bleibt, denn sie kämpfen darum, dass das Team bleibt und erleben unter dem Hashtag #SaveTheCrew viel Solidarität und Unterstützung von Fans anderer Teams.
Columbus Crew scheint derzeit aber nicht viel Wert auf die Gunst der Fans zu legen, denn wenige Tage nachdem der mögliche Umzug verkündet wurde, wurde auch bekannt, dass man den Fans, die bereits eine Dauerkarte für 2018 gekauft hatten und diese unter den neuen Umständen zurückgeben wollte, keine Kulanz entgegenbringen würde. Wer eine Dauerkarte für 2018 gekauft hat, diese aber mit dem Wissen auf den möglichen Umzug zurückgeben will, wird kein Geld zurückerhalten.
Aus Sicht von Columbus Crew kann man das natürlich auch verstehen, jedoch gibt man sich derzeit wirklich keine Mühe, doch noch Fans an sich zu binden und den Zuschauerdurchschnitt zu erhöhen.
Aus Sicht eines MLS Fans kann man nur hoffen, dass Columbus Crew doch noch Möglichkeiten finden auch tatsächlich Columbus Crew zu bleiben und nicht zu Austin Crew oder ähnlichem zu werden. Sollte man doch ein Stadion in der Innenstadt von Columbus bekommen, sollte Columbus Crew sich schnellstmöglich mit seinen Fans auseinandersetzen und sie wieder auf ihre Seite ziehen, denn im Augenblick herrscht enorme Unruhe bei den Fans und ohne sie wird ihnen auch nicht das Stadion in der Innenstadt helfen.
Wer die Fans übrigens unterstützen möchte, kann das unter SaveTheCrew.com kinderleicht machen.