Viel Ballbesitz, aber wenig Ertrag – Für die US-Boys wird es also noch einmal eng in der WM-Qualifikation

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Clint Dempsey

Besonders interessant wird es für den geneigten Betrachter des US-Fußballs erst dann, wenn die „dritte Halbzeit“ beginnt. Dann versammeln sich die Internet-Fans in der Kommentarspalte von mlssoccer.com, der offiziellen Website der Major League Soccer. Nach der 0:2-Niederlage der USA gegen Costa Rica hätte man durchaus denken können, dass der fußballerische Weltuntergang sich langsam annähern würde. Im Weißen Haus fürchtet Trump den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-Un, während in der Red Bull Arena die ersten Teppiche in Richtung Playoff-Spiel ausgerollt werden, zumindest wenn man einigen Fans glaubt. Insbesondere Tim Ream wurde ins Gebet genommen, nachdem er das 0:1 maßgeblich verschuldete. Kommentare wie „Ream was flawless? What have you been smoking?“ spiegelten nicht unbedingt die Leistung des Innenverteidigers des FC Fulham wider, denn der Spielverlauf des Rückspiels unter Bruce Arena hatte nur wenig gemeinsam mit dem leblosen Auftritt im Rahmen der 0:4-Pleite in Costa Rica im November 2016. Zudem hatte die Mannschaft unter dem neuen Coach bereits im Gold Cup eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie man die Fünferkette der Ticos, auch wenn sie vor wenigen Monaten ohne die Ausnahmespieler Celso Borges und Keylor Navas auskommen mussten, vor Probleme stellt.

Nur sehr selten ist der CONCACAF-Fan zwei Nationalmannschaften begegnet, die sich derart ebenbürtig duellieren. Gerne tauschen sie auch einmal die Rolle von Favorit und Außenseiter. Beispiel gefällig? Bei der Copa America Centenario 2016 gewannen die Yanks mit 4:0 gegen Costa Rica. Nur 5 Monate später gewannen die Ticos vor heimischen Publikum mit dem gleichen Ergebnis gegen dasselbe Nationalteam. Die Zuschauer vor den Bildschirmen wussten also, dass jeder kleinste Fehler ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage sein könnte.

Die ersten Minuten der Partie rissen die US-Boys an sich: klare Ballbesitzvorteile und Kurzpassstafetten bestimmten das Bild. Die Körpersprache stimmte, doch die Torchancen blieben Mangelware. Bruce Arenas Ballbesitzfußball beschränkte sich auf enge Räume im Zentrum, die Celso Borges und David Guzman bereits besetzt hatten. Erst später wichen die USA auf die Flügel aus, doch auch da erwischte der eine oder andere einen formschwachen Tag. Das 1:0 lag in der Luft und nach 30 Minuten sollte es tatsächlich fallen. Die USA rückten weiterhin auf, sogar die Außenverteidiger Villafana und Zusi sollten offensiver verteidigen, um mehr Druck auszuüben. Das begünstigte den Gegenangriff. Weder Pulisic noch Altidore erzielten das Tor, sondern Marco Urena, der costa-ricanische Stürmer der San Jose Earthquakes. Infolge eines langen Balls von Tim Howard in das Zentrum kam der Ball nach einem gewonnenen Kopfballduell zu Bryan Ruiz, der lediglich eine Dreierkette bestehend aus Bradley, Cameron und Ream vor sich hatte. Als herausragender Passgeber bekannt, erkannte der Offensivspieler von Sporting Lissabon den Raum zwischen Cameron und Ream, in den sich der schnelle MLS-Spieler hineingeschlichen hatte. Daraufhin verlor Ream das 1-gegen-1-Duell, nachdem Urena einen sehenswerten Haken schlug, der letztlich in das 1:0 münden sollte. Urena schloss im langen Eck ab, Howard blieb ohne Chance. Was wäre, wenn John Brooks neben Geoff Cameron verteidigt hätte? Fragen über Fragen, die unbeantwortet bleiben, da die Klasse des Neu-Wolfsburgers zwar unbestritten ist, er beim 0:4 in Costa Rica allerdings ebenfalls nicht besonders souverän aussah. Möglicherweise hätte der Faktor Chemie, die aufgrund der gemeinsamen Auftritte von Cameron und Brooks vorhanden war, eine Rolle gespielt. In dieser Szene fehlte Tim Ream einerseits die Abstimmung, andererseits die Schnelligkeit, um den flinken Offensivmann aufzuhalten. Geht dieser Treffer sogar auf die Kappe von Bruce Arena, da er in dieser Phase des Spiels bereits zu viel riskierte? Villafana fehlte eindeutig als Unterstützung auf der linken Seite.

Mit dem Start der zweiten Hälfte wählten die USA vermehrt, aber zu unregelmäßig neue Mittel. Die Fünferkette verwandelte sich in ein Bollwerk, das disziplinierte und lauffreudige Costa-Ricaner über 90 Minuten lang aufrechterhielten. Celso Borges‘ Weltklasse blitzte auf, als er dem kreativen Darlington Nagbe gar keine andere Möglichkeit gab, als einen Pass auf die Außenbahnen zu spielen. Dort erledigte insbesondere Cristian Gamboa einen überragenden Job, da er den Zuschauer zunehmend vergessen ließ, dass auf der linken Seite ein Bundesliga-Spieler von Borussia Mönchengladbach spielte. Auch dem neuen US-Hoffnungsträger Christian Pulisic ging es auf rechts nicht anders. Mann und Maus verteidigten ihn gemeinsam: zwischenzeitlich sah sich Pulisic mit vier Gegenspielern gleichzeitig konfrontiert, die eine Übermacht für den jungen 19-Jährigen darstellen sollten. Die einzigen großen Möglichkeiten entwickelten sich nach der Einwechslung von Clint Dempsey in der 65.Minute. Ein Freistoß von Dempsey aus halbrechter Position wurde zur Bogenlampe, der auf linker Strafraumposition bei Pulisic landete, dessen Schuss zusätzlich durch ein costa-ricanisches Bein gefährlich abgefälscht wurde. Diesmal stand zum Unmut der US-Anhänger allerdings nicht Patrick Pemberton, sondern Keylor Navas im Kasten der Ticos, der mit einer riesigen Parade den Schuss des Dortmund-Spielers parierte.

Die Minuten 80 bis 82 erwiesen sich als Experiment von Jekyll und Hyde. Gerade, als Geoff Cameron mit einem langen Ball auf Jozy Altidore, dessen Schuss erneut von Navas gehalten wurde, ein kreatives Mittel zur Verwundung der costa-ricanischen Fünferkette fand, erzielte Urena sein zweites Tor, passenderweise nach einem Fehlpass des Innenverteidigers aus der Premier League. Guzman reagierte blitzschnell, passte auf Urena, der im Anschluss Howard keine Chance ließ. Sechzig Prozent Ballbesitz können sehr viel sein, doch eben nicht, wenn du deine Chancen nicht verwertest.

Arenas Ballbesitzüberlegung stimmt! Die USA spielen einen dominanten Fußball, der dennoch zu monoton und transparent wirkt. Deswegen ist eine Systemänderung zwingend vonnöten, um in Honduras zu bestehen. Ein 4-3-3 würde Honduras mit den eigenen Waffen attackieren. Die Stärken der USA liegen aus meiner Sicht klar in der Mitte des Feldes. Bradley, Nagbe und Dempsey sollten die Chance bekommen, gemeinsam das Mittelfeld zu beherrschen. Resultierend aus der Gelbsperre Jozy Altidores spielen erneut Johnson und Pulisic auf dem Flügel mit Bobby Wood in der Spitze. In der Verteidigung übernimmt Ream die Rolle von Jorge Villafana, dafür rückt Omar Gonzalez in die Innenverteidigung, um das richtige Maß an Erfahrung darzustellen. Allerdings gelingt das nur, wenn Ream und Zusi eine defensivere Rolle spielen, um den schnellen Außen Romell Quioto und Alberth Elis von Houston Dynamo keinen Zugriff zu geben. Zusi als Rechtsverteidiger im direkten Duell mit Elis bereitet mir an dieser Stelle Kopfschmerzen…

Kein Grund zum Trübsalblasen! Die Anlage ist vollkommen richtig, nur das System muss ausgereift werden.

Heute Abend um 23:00 Uhr muss das USMNT gegen Honduras ran und sie werden versuchen die Schwächen zu schließen, denn diese 3 Punkte müssen sie definitiv holen.