Wenn für den Fan ein Auswärtsspiel zum Heimspiel wird …

Bastian Schweinsteiger wurde am Dienstag offiziell vom FC Bayern München verabschiedet und bekam mit seinem aktuellen Team ein Abschiedsspiel.
Für Fans des FC Bayern München oder der deutschen Nationalmannschaft war das diese Partie ein Spiel, in dem sie ihr Idol vielleicht zum letzten Mal sehen können würden, für deutsche MLS Fans bedeutete dieses Chicago Fire Auswärtsspiel dagegen eine Art Heimspiel und vielleicht sogar das erste Mal die Gelegenheit ein MLS Team Live zu sehen.

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… und Bastian Schweinsteiger beim FC Bayern München verabschiedet wird

Was treibt einen Menschen eigentlich dazu an, quer durch die Republik zu fahren, um ein Fußballspiel an einem Dienstag Abend sehen zu können, in dem es weder um einen Titel, noch um den Auf- oder Abstieg in eine andere Liga geht?

Diese Frage lässt sich natürlich vielfältig und individuell beantworten. Sei es, weil allein schon die gemeinsamen Anfahrten in Bussen oder Zügen legendär sind, aus tiefer Liebe zum Team, das man auch bei jeder Auswärtsfahrt laut unterstützen will oder ganz simpel um die Liste im Groundhopping weiter auszubauen.

Foto: Chicago Fire

Doch an diesem Dienstag hatten viele Menschen vor allen einen Namen als Grund, sich zum Teil auf weite Reisen zu begeben. Bastian Schweinsteiger erhielt sein Abschiedsspiel beim FC Bayern München und trat mit seinem aktuellen Team zu diesem Freundschaftsspiel an.

Sein aktuelles Team ist bekanntermaßen Chicago Fire, ein MLS- Team, von dem viele deutsche Fußballfans bis zu Schweinsteigers Wechsel bei diesem Namen wohl nur an eine Fernsehsendung dachten.

Für Fans des FC Bayern München oder der deutschen Nationalmannschaft war das also ein Spiel, in dem sie ihr Idol vielleicht zum letzten Mal sehen können würden, für deutsche MLS Fans bedeutete dieses Fire Auswärtsspiel dagegen eine Art Heimspiel und vielleicht sogar das erste Mal die Gelegenheit ein MLS Team Live zu sehen.

Schlechte Chancen auf die Playoffs

Das ausgerechnet Chicago Fire das MLS- Team wurde, das gegen den deutschen Rekordmeister antrat, wurde für deutsche MLS Fans auch schon bereits im Vorfeld zu einem Fluch und Segen. Die letzten 8 MLS- Spiele verlor das Team aus Windy- City, zuletzt rang man Columbus Crew ein 1-1 ab, aber der letzte Sieg in der Liga war am 01. Juli 2018. Aktuell liegt das Team damit auf dem vorletzten Tabellenplatz in der Eastern Conference mit einem Punkt vor Orlando City, die jedoch 2 Spiele weniger bestritten haben. Die Chance noch in die Playoffs zu kommen bei 0,1%, während Orlando immerhin noch eine Chance von 0,3% hat. Lediglich die Colorado Rapids und die San José Earthquakes haben noch schlechtere Chancen auf die Playoffs.

Chicago Fire beim Warm Up

Aus der Sicht eines MLS- Fans

Als Fan der Liga musste man im Vorfeld bei dieser Faktenlage von einer üblen Klatsche ausgehen, die in den nächsten 100 Jahren bei Diskussionen über die Qualität der Liga als Hauptargument herhalten würde. Ein Segen konnte dieses Spiel jedoch werden, weil es manchmal auch in der eigenen Analyse hilft zu erkennen, was die Probleme eines Teams sind, wenn man das Geschehen live beobachten kann und auch das sieht, was sonst in TV oder Streamübertragungen nicht gezeigt wird.

Vor allem ermöglicht ein Blick über den Bildschirmrand hinweg die Beziehungen der Spieler untereinander ein wenig besser kennenzulernen. Dass sich Dax McCarty und Bastian Schweinsteiger gut verstehen, sieht man bereits an ihrem gemeinsamen Spiel und ist nicht weiter überraschend, aber auch die Interaktion der anderen Spieler vor dem Spiel war nicht uninteressant und zum Beispiel Mo Adams zeigte sich als aufgeschlossener Spieler, der mit fast allen aus der Gruppe alberte. Für das Team könnte ein solch junger Spieler in den nächsten Jahren ein wichtiger Faktor werden.

Im Nachhinein betrachtet war die 4-0 Niederlage nicht halb so schlimm wie befürchtet. In Anbetracht der Tatsache, dass Chicago aufgrund der Anzahl der mitgereisten Spieler nicht so oft wechseln konnte wie der FC Bayern und auch Spieler dabei hatte, die eigentlich beim Roughnecks FC in der USL spielen, ist das 4-0 völlig akzeptabel. Ein Tor wäre nett gewesen und die Chancen hatten sie vor allem in der zweiten Halbzeit mehrfach auf dem Fuß, aber manchmal scheitert es dann eben doch an individuellen Nachlässigkeit oder Glanzparaden vom Torwart.

Letztendlich ging es an diesem sommerlichen Abend aber natürlich nur um Bastian Schweinsteiger, der in diesem Freundschaftsspiel natürlich für beide Teams spielte, bei nahezu jeder Ballberührung von den Fans bejubelt wurde und im letzten Drittel des Spiels auch etwas mehr die Ernsthaftigkeit aus diesem nahm und kleinere Showeinlagen bot. Zu seinem sehr sehenswerten Tor kam er dann aber schließlich auch und erlöste Fires Torwart Richard Sanchez davor, weiterhin ausgebuht zu werden, wenn er es wagte einen Schuss von Schweinsteiger zu halten.

Sandro Wagner ungestört im Strafraum

Chicago Fires Problem

Betrachtet man Abseits von dem Ereignis um Bastian Schweinsteiger das Team etwas genauer, werden verschiedene Punkte deutlich. Zwei große Probleme waren schon in den letzten Monaten deutlich zu erkennen und zeigten sich auch in diesem Spiel. Die Verteidigung von Chicago Fire ist durch das Fehlen von Matt Polster, der in der letzten Saison ein wichtiger Pfeiler in der Verteidigung war, aber leider auch viel Verletzungspech hat, ziemlich unsicher und fehleranfällig, weshalb McCarty und Schweinsteiger immer wieder gezwungen sind in der Verteidigung auszuhelfen, anstatt sich auf das Mittelfeld zu konzentrieren.

McCarty motiviert das Team

Chicago Fire fehlt es derzeit immer wieder an der Sicherheit in der Abwehr und jemandem, der seine Mitspieler neben sich immer wieder neu sortiert. Im gestrigen Spiel übernahm das immer wieder Dax McCarty, das fleißige Arbeitstier von Fire, der an diesem Abend gefühlt an jeder Position war und vor allem in der zweiten Halbzeit die Bälle aus dem Mittelfeld mehrfach zu gefährlichen Angriffen verteilen konnte.

Aber auch Nicolas Hasler half immer wieder in der Verteidigung aus und machte mit guten Aktionen auf sich aufmerksam. Insgesamt sind die Spieler aus dem Mittelfeld auch die wichtigsten Spieler bei Fire gewesen, denn auch Michael de Leeuw, der eigentlich sonst im offensiven Mittelfeld spielt, half viel in der Defensive aus und eroberte wichtige Bälle.

Neben der Verteidigung ist leider auch der Sturm ein Problem, denn wenn mehrfach solche Großchancen so ungenutzt liegen bleiben, darf man sich auch nicht über den aktuellen Tabellenplatz wundern.

Ein kleiner interessanter Funfact am Rande: Nachdem Bastian Schweinsteiger in der zweiten Halbzeit in das Trikot von Bayern geschlüpft war, wirkte das Spiel von Fire durchaus sicherer und auch mutiger. Sanchez gab im Tor mehr Stabilität, McCarty konnte seine Stärke noch besser ausspielen und die Bälle verteilen und auch der Rest des Teams wirkte aufgeweckter.

Natürlich darf dieses Spiel nicht zu ernst genommen werden. Denn in der Regel würde Fire einen Spieler, wie zum Beispiel Cleveland wahrscheinlich nur im Verletzungsfall von Sanchez in das Tor stellen, aber man kann guter Hoffnung sein, dass die Spieler vielleicht einige hilfreiche Erfahrungen und Motivation von ihrem Kurztrip mitgenommen haben, um die 0,1% Chance auf die Playoffs in ein „Qualifiziert“ umzuwandeln oder wenigstens die Saison nicht im absoluten unteren Drittel abzuschließen.

Die Fans an diesem Abend

Einen Blick auf das Spiel sollte man jedoch auch immer auf die Fans werfen. Bemerkenswert waren dabei vor allem diejenigen, die wenigen Fans, die im Chicago Fire Trikot kamen und vor allem die Fire Fans, die tatsächlich aus den USA angereist waren.

Weniger bemerkenswert dazu war jedoch die fehlende Kreativität der Bayernfans, die neben „Hurensohn BVB“ und „Fußballmafia DFB“, ihr eigenes Songrepertoire zwar nutzten, sich ihrem Gegner aber nicht anpassten. So war „Ihr werdet nie deutscher Meister“ zwar eine nette Idee, jedoch für ein englischsprachiges Team nicht zu verstehen. Haben die Fans des FC Bayern München keine Songs für internationale Spiele?

Richtig übel in Sachen Fanverhalten, das ansonsten okay war, wurde es dann aber, als Leon Goretzka in einer normalen Abwehrsituation von Christian Dean getroffen wurde und sich dabei verletzte, worauf von einigen Fans rassistische Beleidigungen gegen Dean gebrüllt wurden, von denen man eigentlich erwarten müsste, dass diese längst nicht mehr in ein Stadion gehören.

Bastian Schweinsteiger hat davon natürlich und zum Glück nichts mitbekommen und dürfte einen Abend bekommen haben, an dem er sich noch lange erinnern wird. Das ganze Programm war würdevoll durchdacht und beide Teams und die Fans zeigten ihm ihren Respekt.

Foto: Chicago FIre

Für Fans von Chicago Fire bedeutete dieser Abend natürlich keinen Abschied, denn sie werden Bastian und das Team am 16. September wieder sehen, dieses mal gegen Orlando City und ein Heimsieg muss in diesem Fall Pflicht sein.