Da stand er, der Weltstar, der „Global Guy“. „The Brand“, die Marke David Beckham. Doch ihn umgab keine Aura der Unantastbarkeit. Beckham wirkte bei der Verkündung von Miami als neuem MLS-Standort schüchtern, fast wie ein 11-jähriger Junge, der das erste Mal vor seiner Klasse sprechen soll. Immer wieder tippelte er von einem Bein auf das andere, entfernte sich dabei teilweise so weit vom Rednerpult, dass er kaum noch zu hören war. Obwohl David Beckham seit Jahrzehnten eine Figur des internationalen Fußball-Business ist, sind es nicht die großen Auftritte, die wie für ihn gemacht sind.
So groß die Marke auch zu sein scheint, so scheint er trotz des jahrelangen Rummels um „Becks“ und seine Frau Victoria „humble“ -bescheiden- geblieben zu sein. Was gestützt wird durch Aussagen seiner früheren Mitspieler, die ihn immer mehr als einen Teamkameraden gesehen haben als den „Typ Zlatan“, der anderen gern mal deutlich macht, dass es mit ihm ohnehin niemand aufnehmen kann. Ibrahimovic hätte Late-Show-Moderator James Corden und dessen Mitarbeiter wohl in der Luft zerrissen, wenn der ihn mit einer gefälschten und schrecklich aussehenden Statue vor versteckter Kamera reingelegt hätte. Beckham war geschockt, wie man es in dem Youtube-Clip sehen kann, und machte das dennoch auf eine ihm eigene Art klar – deutlich, aber höflich.
Wenn Beckham interviewt wird oder im Rampenlicht steht, wirkt er zurückhaltend, manchmal fast eingeschüchtert. Und doch kann dieses Bild täuschen. So wenig er diese Auftritte auch liebt, man sollte davon keine Rückschlüsse auf ihn als Geschäftsmann ziehen. Beckham hat den Sprung vom Fußballplatz ins Business geschafft wie kaum ein Zweiter. Und das nicht erst in den letzten Jahren, er stellte die Weichen dafür schon sehr früh. So soll er 2007, als er bei LA Galaxy in der MLS anheuerte, neben einem stattlichen Salär auch eine Klausel gefordert haben, die ihm den Einstieg mit Inter Miami CF erst möglich machte: Er wollte die Zusicherung, künftig das Recht auf ein eigenes Liga-Franchise an einem Ort seiner Wahl zu haben. Die Major League Soccer gewährte ihm das, Jahre später zog Beckham die Option und entschied sich für Miami. Ligaboss Don Garber dürfte zu dem Zeitpunkt darüber alles andere als unglücklich gewesen sein, schließlich gilt die Stadt im Süden Floridas als einer der Top-Sportmärkte Nordamerikas.
Die „Vice City“ als perfekter Ort?
Die Wahl für Miami könnte aus vielerlei Perspektive ein „goldener Griff“ sein. Kaum eine andere Stadt in den USA gilt als so offen für andere Kulturen wie die „Vice City“. Die Mehrheit der Einwohner ist spanischsprachig, viele kommen ursprünglich aus Kuba, was auch den besonderen Flair dieser Metropole ausmacht. Die Menschen sind entspannt, empfänglich für neue Einflüsse – und vor allem lieben große Teile der hispanischen Bevölkerung Fußball. Perfekt für den „Soccer“, der im allgemeinen in Nordamerika zwar deutlich wächst, aber nach wie vor kein echter Volkssport ist. Die Kinder spielen zwar gern Soccer, in den Parks und auf den Straßen. Doch wenn sie Talent für Sport haben, zieht es viele am Ende doch an die Colleges, wo Football oder Basketball mit (vor allem finanziell) verlockenderen Perspektiven winken.
In Florida aber hat Soccer eine gewisse Tradition. Nicht nur, dass es zwischen zwischen 1998 und 2001 mit Miami Fusion bereits ein MLS-Team gab. Auch im Umland gibt oder gab es Teams, die Fans in ihren Bann zogen. Die Tampa Bay Rowdies zum Beispiel. Oder die Fort Lauderdale Strikers, für die einst sogar Gerd Müller, der „Bomber der Nation“, die Fußballschuhe schnürte. Diese Mischung -Diversität und Liebe zum Fußball- macht Miami zu einem perfekten Ort für ein neues Team.
Das Projekt und seine Gegner
David Beckham zog mit seinem Projekt viele Menschen in seinen Bann, fand schnell Unterstützer und neue, vor allem regionale Investoren wie Marcelo Claure und die Mas-Brüder. Doch gerade beim Thema Stadion zeigt sich, dass ein neues Sport-Franchise in einer Metropole wie Miami kein einfaches Unterfangen ist. Vor allem dann nicht, wenn die Stadt im Westen von Sumpfland und im Osten vom Meer begrenzt wird. Ziel der MLS war und ist es aber, den neuen Klub in Downtown Miami zu implantieren, nicht in einem Vorort, wie es bei vielen Teams der Liga üblich ist. Die Geschichte zeigt nämlich deutlich, dass das ein großer Nachteil ist, weil die Wege lang und entsprechend eine positive Zuschauerentwicklung mühsam ist.
Es ist schwer, neue Fans für ein Team zu finden, wenn die erst anderthalb Stunden Anfahrt für ein Heimspiel in Kauf nehmen müssen. In Europa kein Problem, da fahren die „Hardcore-Fans“ ihren Klubs gerne auch hunderte Kilometer hinterher. Doch in den USA sind solche Dinge eher noch die Ausnahme. Die Fans lieben es, sich vor Heimspielen auf dem Parkplatz vor dem Stadion zum „Tailgating“ zu treffen, wie es bei Spielen der NFL gang und gäbe ist. Barbecue und Small Talk über Fußball, aber auch über Gott und die Welt. Typisch für den amerikanischen Sportsgeist – aber auf eine weite Entfernung nur schwer umzusetzen.
Das Ziel für Inter war es also, so schnell wie möglich in Miami selbst ein Stadion zu bauen. Dass es bis heute lediglich ein „Projekt Miami Freedom Park“ mit Platz für 26.000 Zuschauer gibt, zeigt an, dass dieses Vorhaben bisher nicht umgesetzt werden konnte. Seit Jahren ist es immer dasselbe Spiel: Beckhams Team findet einen Standort, verhandelt, am Ende platzt der Deal. Der Miami Freedom Park scheint der perfekte Ort für ein Stadion zu sein, würde zu 100% Prozent aus privaten Mitteln bezahlt werden und belastet daher nicht die Haushaltskasse, doch derzeit scheint der Widerstand aus der Politik erneut zu groß zu sein. Ein Umzug war für 2022 angedacht, ob dieser Plan aufrecht erhalten werden kann, wird sich wohl in den kommenden Wochen zeigen. Zwar ergab eine offizielle Umfrage bei der Bevölkerung eine 60%-Zustimmung für Verhandlungen über das Stadion, doch einige lokale Politiker nutzen das Projekt, um ihr Profil zu stärken. Inter und die MLS in den Klauen der Politik, was den Investoren und vor allem Ligaboss Don Garber derzeit die Zornesröte ins Gesicht treibt.
Die Inaugral Season – wer kickt wo?
Bis auf Weiteres wird Inter deshalb im „Lockhart Stadium“ spielen. Das ist die alte Heimstätte der Fort Lauderdale Strikers, die knapp 50 Kilometer nördlich von Miami entfernt ist. Wobei das Wort „alt“ hier nicht gilt: Das Stadion wurde komplett abgerissen, an gleicher Stätte entsteht gerade eine neue Arena für 18.000 Fans, inklusive moderner Trainingsanlagen und einer Jugendakademie. Laut Plan von Inter Miami wollte man hier die ersten beiden Saisons spielen, danach soll das Stadion noch immer die 2. Mannschaft und alle Jugendteams beherbergen. Es ist wahrscheinlich, dass die sich ihr Stadion noch etwas länger mit dem MLS-Team teilen müssen.
Bis zum Start in die „Inaugral Season“, die erste Spielzeit der Geschichte des neuen Franchise, vergehen noch ein paar Monate. Zwar spielen einige Jugendteams bereits, doch der neue Kader für die Major League Soccer besteht derzeit nur aus 5 Spielern, die alle noch bei anderen Klubs aktiv sind. Interessantester Name dürfte dabei der 19-jährige Offensivspieler Matías Pellegrini sein, der bereits unter Vertrag steht, momentan aber noch per Leihe beim argentinischen Erstligisten Estudiantes de la Plata spielt.
Gerüchte um neue Spieler gibt es zur Genüge, und Inter Miami bestätigte auch, dass ein Teil der gehandelten Namen wie Edinson Cavani (PSG), Luis Suarez (FC Barcelona) oder David Silva (Manchester City) durchaus im Blickfeld der sportlichen Führung stehen. Ob die allerdings für die erste Saison ein Thema sein werden, dürfte eher bezweifelt werden. Cavani selbst soll das Angebot bereits freundlich abgelehnt haben, steht mit seinem 32 Jahren ja auch noch im Blickfeld großer europäischer Klubs.
Die nächsten Schritte: Coach & Spielerklau
Doch egal, welche Spieler noch kommen: Die vorrangigste Aufgabe ist es, einen Coach für das Team zu finden, um ihm ein Gesicht zu geben. Auch hier soll nach Aussagen der Besitzer in den nächsten Wochen eine Entscheidung fallen. Die Spur führt nach Argentinien, Ex-Real-Trainer Santiago Solari soll der Auserwählte sein. Neben ihm werden aber auch Marcelo Gallardo, David Moyes oder Gennaro Gattuso gehandelt. Wenig überraschend weisen die meisten Namen eine Parallele zu Club-Owner David Beckham auf.
Ein weiterer interessanter Termin ist der „MLS Expansion Draft“. Für Fans des Gesangs-Formats „The Voice of Germany“ und dessen „Steal Deal“ ein nicht ganz unbekanntes Konzept, hierzulande im Sport allgemein und besonders im Fußball aber völlig unbekannt. Am 19. November 2019 dürfen sich die beiden neuen Teams Inter Miami und SC Nashville nach einer festgelegten Reihenfolge -Inter gewann per „Coin Toss“ den ersten Pick- jeweils 5 Spieler ihrer Wahl von den Ligakonkurrenten „stehlen“. Die bisherigen Teams der MLS haben allerdings vorher die Möglichkeit, 12 Spieler ihres Kaders zu schützen, so dass diese nicht gewählt werden dürfen. Durch diesen Draft bekommen neue Klubs die Möglichkeit, ihre Teams mit einigen MLS-erfahrenen Spielern zu verstärken. Diese können dann entweder im Kader bleiben oder wiederum für Tauschgeschäfte genutzt werden. US-Sport at it´s best.
„Er hätte aufgeben können“
Bei der offiziellen Bekanntgabe von Miami als MLS-Standort sagte Bürgermeister Carlos Jimenez vom Miami-Dade County im Januar 2018 an Beckham gerichtet: „David hätte aufgeben können, weil es zu schwierig oder den Aufwand nicht wert wäre, er hätte eine andere Stadt wählen können, um sein Franchise zu gründen. … Aber David und seine Partner glaubten an diese Stadt, glaubten an diese Community, an uns alle“. Im Anschluss folgte ein Video, in dem Größen wie Neymar, Jay-Z, Jennifer Lopez, Serena Williams und natürlich Will Smith ihre Grüße und Glückwünsche sendeten. Miami ist eben in vielerlei Hinsicht der perfekte Ort für ein neues Fußballteam – für die Fans in Florida, aber auch für die Medien. David Beckham selbst wird besonders aufgeregt sein, wenn Anfang 2020 das erste Spiel von Inter Miami in der MLS angepfiffen wird. Bleibt für ihn zu hoffen, dass er dann nicht wieder eine Rede halten soll.
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